Jan Angermüller – inside out

Es geht beruflich für ihn um das Innere der vier Wände. Seine Freizeit jedoch verbringt Jan in der Natur. Immer.

Jan Angermüller kümmert sich mit dem gleichnamigen Möbelhaus in Salz um die Einrichtung der vier Wände seiner Kunden– seine Freizeit verbringt er aber immer außerhalb ebendieser. Es ist Freitagabend, 19 Uhr. Jan Angermüller schließt als Letzter das große Einrichtungshaus in Salz ab, ruft seinen Hund Hugo und verlässt, vorbei an riesigen Hochregallagern, die Firma.

Eine anstrengende Woche liegt hinter ihm. Ein paar Regentage in Folge lockten viele Kunden ins Geschäft. Dazu viele Termine und die üblichen Belastungen, die ein Betrieb mit 86 Mitarbeitern eben mit sich bringt. Seit 9 Jahren ist Jan nun dabei, den Betrieb in die dritte Generation zu führen. Gerade in Zeiten des Onlinehandles ist so ein stationäres Möbelhaus sicher kein Selbstläufer. Sein täglich‘ Brot sind Kücheneinrichtungen und Wohnzimmermöbel, Fernsehschränke und Betten. Alles was in so einem Haus halt gebraucht wird. Sein ganzes Tun bezieht sich auf Wohnungen und Häuser, die eingerichtet werden wollen. Es geht beruflich für ihn um das Innere der vier Wände. Seine Freizeit jedoch verbringt Jan in der Natur. Immer. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Jetzt ist Feierabend für Jan und hinter dem großen Zentrallager wartet schon sein alter Geländewagen – und Hugo.

Zusammen geht’s auf die Jagd.

Die Hemdfarbe wechselt von weiß zu kariert, die Anzughose wird gegen Out-door-Pants getauscht. Stiefel an, Mütze auf. Raus!

„Wir fahren in die Rhön.“ Jan freut sich und er strahlt noch mehr als die unter-gehende Sommer-Sonne, die in sein Ge-sicht scheint. Auf dem Weg in die Lan-ge Rhön erzählt Jan, warum ihm seine Heimat und seine Natur so am Herzen liegen. Er spricht von den Maoris, den indigenen Völkern Neuseelands – wo er studierte. Er erzählt begeistert von der einzigartigen Flora und Fauna der Rhön und wie er in der Rhön wieder heimisch geworden ist und für sich seine Heimat neu entdeckt und definiert hat.
Es drängt sich nun die Frage auf:
Wie schafft ein schwer beschäft igter Jungun-ternehmer den Spagat zwischen Büro-stuhl und Hochsitz, zwischen Personalgesprächen und Bienenvölkern?
„Ich war schon immer sehr natur-verbunden, und das zieht sich wie ein roter Faden wirklich durch mein ganzes Leben. Meine erste intensive Naturerinnerung ist, als ich als drei-jähriger Angler in den See gefallen bin. Das war mein erster Tag als Angler“, lacht Jan.

Als kleiner Junge hat er auch oft mit seiner Tante und seinem Onkel lan-ge Waldspaziergänge durch die Natur unternommen. Danach folgten für ihn das Wahlfach Ökologie in der Schule. Das bedeutete auch drei Stunden pro Woche extra Bücher wälzen und Pflan-zen bestimmen. Dank seines damaligen Lieblingslehrers Rüdiger Kühnel habe diese Zeit aber richtig Eindruck bei ihm hinterlassen. Die verfassten Schrift -stücke zum richtigen Umgang mit der Natur liegen heute noch in seiner Woh-nung. Mit der Jagd hat Jan seit 4 Jahren nun ein neues Hobby, wobei das eigentlich noch viel zu kurzgegriff en ist. Es ist ein Lifestyle und ein Universum für ihn, in das er eintaucht, wenn er abschalten will. Eine Welt, die vielfältig ist und bei der man scheinbar nie auslernt. Wenn Jan von der Jagd spricht, dann spricht er nicht über das Töten. Er spricht statt-dessen von Karma und warum in seinen Augen manche Sachen in seinem Leben passieren. „Every action cause a reac-tion.“ Er möchte Kausalitäten erklären und spricht vom Leben und vom Tod.

„Ich achte vor jedem Schuss auf mein inneres Gefühl und manchmal bleibt mein Finger auch am Abzug gerade.“ Fast wäre Jan nach seinem BWL-Studium bei der Commerzbank in Frankfurt gelandet, der Weg war schon bereitet. Big City Life dann kam Neuseeland und danach Familienunternehmen. Jetzt erzählt er aber von ge-heimen Ecken am schwarzen Moor und Besonderheiten der Brend. Er kennt die Vögel und die Blätter, beobachtet das Verhalten der Tiere. Bei den Rhöner Jägern ist er Naturschutz-Beauftragter.

WIE KANN ER SEINE LEIDENSCHAFT UND SEIN ENGAGEMENT FÜR DIE NATUR MIT SEINEM EINRICHTUNGS-HAUS KOMBINIEREN?

Zum Beispiel so: Anlässlich des 70-jährigen Firmenbestehens warb Jan etwa nicht mit Rabatt-Coupons, er verteilte stattdessen 8000 Tütchen mehrjähriger Wildblumen-Samen an seine Kunden, legte darüberhinaus mit befreundeten Landwirten 4 Hektar Blühstreifen an. “So hatten die Bienen in der Region auch etwas von unserem Jubiläum“, freut sich der 34-Jährige.
„Jede Wildbratwurst, die gegessen wird, ist schon mal kein Billig-Fleisch aus dem Supermarkt. Dazu ist es für mich wichtig zu wissen, wo mein Fleisch herkommt.“ Er stellt eine Frage, auf die er keine Antwort erwartet: „Sollte nicht jeder Fleisch-Esser emotional dazu in der Lage sein, ein Tier zu zerlegen? Ich denke, dass würde unseren Konsum drastisch verändern.“ Stille.

Es dämmert in der Rhön. Jan beobachtet vom Hochsitz aus die Umgebung. Er flüstert nun. Es raschelt. Ein Wildschwein. Jan legt an, zielt und schiesst (Anm. vom Autor: „Es ist echt passiert“). Der laute Schuss verhallt im Wald, seine Hand zittert. Ein sauberer Schuss – Sau tot. Jan steigt von der Kanzel, nähert sich dem Keiler und wird ruhig. Von heroischem Macho-Gehabe nach einem Abschuss keine Spur. Er nimmt einen Laubzweig und steckt ihn in den Mund der Sau, der letzte Bissen. Jan kniet nieder, hält seine Hand auf das leblose Wesen und spricht ein Jägergedicht. „Ich will eine Verbindung zu dem Tier herstellen und ihm Respekt erweisen.“ Erst dann packt er das Wildschwein auf seinen Geländewagen und fährt zurück. Noch bis spät in die Nacht nimmt er vorsichtig und konzentriert das Wildschwein auseinander. Erst dann legt er sich schlafen. Am nächsten Tag schließt er (wieder ausgeglichen) und motiviert das Büro des Einrichtungshauses auf. Waidmannsheil.

 

Einrichtungshaus Angermüller
Jan Angermüller
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